Wie digital sind wir wirklich – und wer profitiert davon? Der aktuelle D21-Digital-Index 2024/25 liefert ein klares Bild: Die digitale Transformation gewinnt in Deutschland immer mehr an Fahrt und eröffnet vielfältige Chancen für alle. Gleichzeitig zeigt sich, dass gezielte Förderung digitaler Kompetenzen entscheidend ist, um die Teilhabe aller Menschen nachhaltig zu stärken.
Digitale Basiskompetenzen: Weniger als die Hälfte ausreichend vorbereitet
Nur 49 % der Bevölkerung verfügen über digitale Grundkompetenzen – etwa Textverarbeitung, Passwortmanagement oder den Umgang mit Online-Tools. Damit verfehlt Deutschland das EU-Ziel von 80 % digital kompetenter Bürger bis 2030 deutlich. Besonders bildungsferne Gruppen bleiben zurück, was ihre gesellschaftliche und berufliche Teilhabe massiv einschränkt.
Kernergebnisse des D21-Digital-Index 2024/25
Themenfeld | Erkenntnis | Kennzahl |
---|---|---|
Digitaler Gesamtindex | Geringes Wachstum, Stagnation bei Kompetenzen | 59 Punkte (+1) |
Digitale Basiskompetenzen | Große Defizite, besonders bei bildungsfernen Gruppen | 49 % (EU-Ziel 2030: 80 %) |
Digitale Resilienz | Deutliche Unterschiede nach Bildung und Geschlecht | 68 % Männer, 58 % Frauen; 78 % bei hoher Bildung, 43 % bei niedriger |
KI-Nutzung | Verbreitung steigt, bleibt aber sozial ungleich verteilt | 39 % gesamt; 25 % nutzen ChatGPT |
Barrieren bei KI-Nutzung | Datenschutz, Kosten, mangelndes Vertrauen | 36–37 % nennen diese als Hürden |
Informationskompetenz | Stillstand beim Erkennen von Fake News und Quellenbewertung | 57 % erkennen Falschinformationen |
Digitale Umwelttools | Kaum Nutzung für Klimaschutz, mangelnde Transparenz | 28 % verwenden digitale CO₂-Tools |
Analytische Bewertung: Strukturelle Defizite statt individueller Versäumnisse
Die digitale Spaltung ist kein individuelles Bildungsversagen, sondern ein strukturelles Problem: Fehlende Investitionen in digitale Infrastruktur, unzureichende Ausbildung von Lehrkräften und mangelnde Standardisierung digitaler Lernangebote verschärfen die Ungleichheit. Besonders in strukturschwachen Regionen fehlt es an niederschwelligen, dauerhaften Zugangsmöglichkeiten zu digitaler Bildung.
Beispiel aus der Praxis:
Jamal, 28, Gründer eines nachhaltigen Start-ups im Hunsrück, hat eine innovative App zur CO₂-Reduktion im Handwerk entwickelt. Sein Projekt zeigt, welches Potenzial digitale Lösungen auch im ländlichen Raum entfalten können – vorausgesetzt, es bestehen stabile digitale Infrastrukturen und gezielte Fördermöglichkeiten. In seinem Engagement wird deutlich: Digitalisierung braucht nicht nur Ideen, sondern auch verlässliche Rahmenbedingungen.
Künstliche Intelligenz: Nutzung steigt, aber bleibt sozial selektiv
Während gut ausgebildete, jüngere Menschen KI-Anwendungen zunehmend nutzen, bleiben andere Gruppen außen vor. Zwar empfinden viele die Technik als zeitsparend und praktisch – doch Datenschutzbedenken und ein Mangel an technischer Souveränität bremsen die Verbreitung. 77 % der Befragten sorgen sich über Jobverluste durch KI, unterschätzen aber ihre eigene Betroffenheit – ein Zeichen für geringe technologische Reflexionsfähigkeit.
Beispiel aus der Praxis:
Amin, 19, Berufsschüler aus Köln, nutzt künstliche Intelligenz bereits selbstverständlich im Schulalltag: „Für mich ist ChatGPT wie ein Taschenrechner fürs Denken.“ Seine Offenheit für digitale Werkzeuge zeigt, wie KI den Bildungsweg unterstützen kann – wenn entsprechende Kenntnisse vermittelt werden. Amins Erfahrung unterstreicht die Bedeutung digitaler Bildung als Schlüssel zur Chancengleichheit und aktiven Teilhabe.
Informationskompetenz: Mangelhafte Medienbildung gefährdet Demokratie
Nur 57 % erkennen unseriöse Nachrichten zuverlässig; fast die Hälfte vertraut blind den Ergebnissen von Suchmaschinen. Angesichts zunehmender Desinformation stellt dies ein akutes Risiko für die demokratische Meinungsbildung dar. Kritische Medienkompetenz muss integraler Bestandteil schulischer und außerschulischer Bildung werden.
Beispiel aus der Praxis:
Frau Berger, 71, Rentnerin aus Brandenburg, interessiert sich sehr für gesellschaftliche Themen und informiert sich regelmäßig online. Wie viele ihrer Generation wünscht sie sich mehr Orientierung im digitalen Informationsraum – insbesondere bei der Bewertung von Quellen. Ihr Fall zeigt: Medienkompetenz ist kein Selbstverständnis, sondern eine Frage der Bildungschancen über alle Lebensphasen hinweg.
Vier Handlungsempfehlungen für eine resilientere digitale Gesellschaft
- Verpflichtende digitale Grundbildung: Digitale Kompetenzen müssen von Beginn an in Schule und Ausbildung bundesweit verbindlich vermittelt werden.
- Gezielte Förderung und Qualifizierung: Es braucht niedrigschwellige Angebote für benachteiligte Gruppen und verbindliche Fortbildungen für Lehrkräfte in digitalen und KI-bezogenen Inhalten.
- Transparente Aufklärung und Souveränität: Umfassende Kampagnen zu KI und die Stärkung von Cybersicherheit und Medienkompetenz sind entscheidend für einen souveränen Umgang mit digitalen Technologien.
- Lebenslanges Lernen für alle: Digitale Bildung muss früh beginnen und durch flexible Weiterbildungsangebote für alle Altersgruppen und Berufstätigen kontinuierlich gefördert werden.
D21-Digital-Index: Digitalisierung braucht eine kompetente Gesellschaft
Der D21-Digital-Index 2024/25 ist mehr als eine Studie – er ist ein Spiegelbild der deutschen Gesellschaft im digitalen Wandel. Das jährliche Lagebild der digitalen Gesellschaft, herausgegeben von der Initiative D21 e.V., zeigt deutlich: Viele Menschen in Deutschland sind noch nicht ausreichend auf die Anforderungen der digitalen Welt vorbereitet. Die Zahlen belegen, dass zu wenige in der Bevölkerung über grundlegende digitale Kompetenzen verfügen, um souverän mit digitalen Technologien, Informationen und ihren Quellen umzugehen. Dies ist insbesondere für die persönliche und berufliche Entwicklung kritisch – denn ohne digitale Anbindung wird gesellschaftliche Teilhabe zunehmend unmöglich.
Um den digitalen Wandel zu stärken, bedarf es einer umfassenden Strategie, die digitale Bildung, Weiterbildung und Aufklärung in den Mittelpunkt stellt. Nur wer den Umgang mit digitalen Werkzeugen sicher beherrscht, kann die Chancen der Digitalisierung nutzen – sei es im Beruf, in der Verwaltung oder beim Einsatz digitaler Werkzeuge für den Klimaschutz. Gleichzeitig muss die Gesellschaft befähigt werden, KI-Anwendungen zu nutzen, kritisch zu reflektieren und mitzugestalten. Denn wer heute gut auf den digitalen Wandel vorbereitet ist, hat morgen die Chance, ihn aktiv zu gestalten – zum Nutzen aller.