Prozessanalyse – Der erste Schritt zur Prozessdigitalisierung

Gründe für die Digitalisierung

Es gibt viele Gründe, warum die Digitalisierung von Prozessen sinnvoll ist. Ich bin sicher, dass Sie sich an der ein oder anderen Stelle wiederfinden.

  • Sie haben die Vision, Ihre Prozesse zu digitalisieren und zukünftig sogar Roboter oder künstliche Intelligenz einzusetzen?
  • Sie müssen neue regulatorische Anforderungen erfüllen, z. B. die regelmäßige Übermittlung von Daten an Kontrollbehörden?
  • Sie möchten Ihren Endkunden tolle Nutzererlebnisse mit schönen Oberflächen ermöglichen?
  • Sie planen ein neues Produkt auf den Markt zu bringen – und das schneller als Ihre Wettbewerber?

Neben diesen Gründen, die in Vertrieb und externen Vorschriften liegen, gibt es sicher zahlreiche interne Motivationen, warum Sie sich mit Digitalisierung auseinandersetzen. Exemplarisch seien hier genannt:

  • Mitarbeiterzufriedenheit
  • Ressourcenplanung (Mitarbeiter, Betriebsmittel)
  • Nachhaltigkeit
  • Heterogene Systemlandschaften
  • Optimierung von Geschäftsprozessen, gerade angesichts eines starken Unternehmenswachstums.

Dann müssen Sie Ihren Weg zur Prozessdigitalisierung genau kennen, damit Ihre Pläne erfolgreich umsetzbar sind. Dabei hilft Ihnen eine Prozessanalyse.

„Eine gut durchgeführte Prozessanalyse schützt Sie davor, den wahren Umfang ihrer Prozesse zu verkennen.“

Prozessanalyse – Was muss ich beachten?

Zunächst ist es unerlässlich, Ihre Prozesse kennenzulernen. Dies erreichen Sie, indem Sie Ihre Prozesse analysieren.

Jeder blinde Fleck kann in der Zukunft schwerwiegende Folgen haben. Insbesondere tritt dies auf, wenn die falschen Personen die Prozessanalyse durchführen.

Häufig schauen Geschäftsführer oder Abteilungsleiter allein von „oben“ auf die Prozesse. Hierbei werden oftmals wichtige Prozessschritte, die nur dem direkten Anwender bekannt sind, übersehen. Ein Beispiel wäre, dass Mitarbeiter regelmäßig eine wichtige Information untereinander per Anruf oder E-Mail weitergeben, obwohl dies nach offizieller Lesart über ein Formular erfolgen soll. Das gewählte Vorgehen ist jedoch praktischer und hat sich daher eingeschlichen.

Oder die Führungskräfte übersehen, dass der neue Prozess in eine bestehende Prozesslandschaft eingebettet werden muss. Vor dem Prozessstart müssen Vorbedingungen erfüllt bzw. bestimmte Anforderungen bekannt sein. Hier können Sie sich die Produktion eines bestimmten Bauteils vorstellen, dessen Farbe vom Kunden individuell auswählbar ist. Liegt keine Information vor, wird das Bauteil in einer Standardfarbe hergestellt. Ohne die Vorgabe produzieren Sie Ausschuss und sorgen für unzufriedene Kunden. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Ihnen fallen bestimmt Beispiele aus Ihrem Unternehmensalltag ein.

„Ist ein Prozess mit diesen Fallstricken erst einmal digitalisiert, ist es schwer, die Zeit zurückzudrehen und sämtliche Fehler auszumerzen.“

Dies ist nicht nur für alle Beteiligten frustrierend, sondern kann auch teuer werden. Sie müssen möglicherweise mit viel ungeplantem Aufwand für nachträgliche Anpassungen rechnen, bis der digitalisierte Prozess nutzbar ist.

Sie finden zum Thema Anwenderbeteiligung bei der Prozessanalyse ein schönes Zitat bei Wikipedia.

„Die Prozessanalyse kann durch Auswertung von Organisations- und Arbeitsunterlagen und gegebenenfalls Mitarbeiterinterviews (…) unterstützt werden.“

Mit Verlaub: Sobald Sie sich rein auf Dokumente verlassen, wird es schwierig. Die Mitarbeiterinterviews sind kein „Kann“, sondern ein „Muss“. Natürlich ist es sinnvoll, wenn Sie in Ihre Unterlagen schauen. Aber wenn Sie Ihre Analyse darauf beschränken, ist es sehr wahrscheinlich, dass der zukünftige Prozess nicht funktioniert und Sie sich genau in den oben beschriebenen Fallstricken verfangen.

Wie Sie Mitarbeiter in die Prozessanalyse einbeziehen

Eine wichtige oder vielleicht sogar die wichtigste Voraussetzung ist, dass Sie von Anfang an offen mit Ihren Mitarbeitern kommunizieren. Sobald Sie beginnen, nach Prozessen zu fragen und das Schlagwort Digitalisierung die Runde macht, können bei den Mitarbeitern schnell Ängste aufkommen. Ängste davor, die gewohnten Aufgaben oder gar den Arbeitsplatz zu verlieren. Diese Sorgen sollten Sie ernst nehmen.

Die Anwender der Prozesse werden Ihnen vielleicht die schon oben genannten Prozessschritte, die deren Arbeit erleichtern, vorenthalten. Vielleicht ärgern sie sich, dass Sie nicht gefragt wurden und Wissen ist eben doch Macht.

Vielleicht ist den Mitarbeitern gar nicht bewusst, dass ihr Input wichtig ist. Meistens kommen in Unternehmen beide Mitarbeitergruppen in unterschiedlichen Varianten vor: Diejenigen, die die Digitalisierung unterstützen und solche, die auf der Bremse stehen. Sie müssen beide Gruppen erreichen. Zunächst ist es wichtig, Ihre Visionen für Ihr Unternehmen zu teilen. Jeder Mitarbeiter sollte wissen und verstehen, wie Sie sich die nahe und ferne Zukunft vorstellen. Sprechen Sie Ängste offen an. Damit haben Sie sehr gute Rahmenbedingungen für die Digitalisierung Ihrer Prozesse geschaffen.

Für die konkrete Prozessanalyse starten Sie am besten mit einem Workshop, der abhängig von der Prozessgröße auch zwei Tage dauern darf. Welche Methoden Sie dort anwenden können, finden Sie weiter unten.

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Wie Sie direkte Vorgesetzte in die Analyse einbinden

Wie bei anderen Änderungen ist es wichtig, dass die direkten Vorgesetzten die Bedeutung der Prozessanwender erkennen und sie unterstützen. Je nachdem, wie tief die Vorgesetzten in die Prozesse involviert sind, kann ihr Anteil so weit gehen, dass sie die Prozessanalyse aktiv durchführen. Dies hängt von der jeweiligen Unternehmensstruktur ab. An dieser Stelle der Hinweis: Nur die Anwender kennen den ganzen Prozess. Ferner gilt insbesondere für die Führungskräfte, dass Sie wissen müssen, wie die Zukunft des Unternehmens aussehen soll. Diese können Sie sonst nicht aktiv bei der Digitalisierung unterstützen, geschweige denn ihre Mitarbeiter überzeugen, sich an Prozessanalyse und Digitalisierung zu beteiligen.

Prozessanalyse versus Tagesgeschäft, ein schwieriger Wettstreit

Die direkten Vorgesetzten, die den Erfolg ihres Themas oder eines Geschäftsbereichs verantworten, benötigen Unterstützung, wenn geplant ist, die Prozesse zu analysieren und ggf. zu digitalisieren. Denn ein weiteres beachtenswertes Problem bei Prozessanalysen ist, dass die damit befassten Mitarbeiter solange vom Tagesgeschäft abgezogen werden. Dies kann angesichts dünner Personaldecken im Rahmen des aktuellen Fachkräftemangels zu vorübergehenden Einbußen in der Produktivität führen.

Sie erkaufen sich mit kurzfristigen Produktivitätseinbußen langfristig eine stabile Produktivitätssteigerung. Und was noch wichtiger ist: Sie verlieren nicht den Anschluss an die Digitalisierung. Bei der Kommunikation innerhalb Ihres Unternehmens sollte dieser Aspekt daher unbedingt beachtet werden. Wenn Sie von Ihren Führungskräften erwarten, bei gleichbleibender Produktivität eine erfolgreiche Prozessanalyse und -digitalisierung durchzuführen, erreichen Sie vermutlich nur ein mittelmäßiges Ergebnis. Mittelmäßigkeit reicht aber nicht für einen dauerhaften Unternehmenserfolg.

„Dabei ist zu beachten, dass es sich bei einer Prozessanalyse immer um eine Investition in die nachhaltige Entwicklung Ihres Unternehmens handelt.“

Prozessanalyse – Wie gehe ich vor?

Zunächst müssen Sie für den zu digitalisierenden Bereich respektive die Abteilung herausfinden, welche und wie viele Prozesse es jeweils gibt. Für einen ersten Überblick ist es sinnvoll die Verantwortlichen zu befragen. Sobald die Gesamtschau gelungen ist, können Sie in die Feinarbeit starten.

Wobei Feinarbeit ein schwieriger Begriff ist. Hier stoßen zwei gegensätzliche Anforderungen aufeinander, ähnlich wie beim Wettstreit zwischen Tagesgeschäft und Prozessanalyse (s.o.). Sie werden immer einen Mittelweg finden müssen: eine möglichst schnelle Prozessanalyse mit einem geringen Detailgrad auf der einen Seite und einer sehr ausführlichen Prozessanalyse mit einem sehr hohen Detailgrad auf der anderen Seite. Bei einer sehr ausführlichen Analyse geht jedoch schnell jede Lesbarkeit der Prozesse verloren. Es gilt also zwischen beiden Polen auszutarieren. Dafür gibt es kein Patentrezept, außer Erfahrungswissen und natürlich diverse Methoden, die Sie dabei unterstützen.

Im Folgenden stellen wir Ihnen vier Methoden vor. Der wichtigste Aspekt der Analyse ist jeweils, den Prozess in geeigneter Art und Weise zu visualisieren.

Das heißt für Sie:

  • Wählen Sie die Methode, die zu Ihnen und Ihrem Unternehmen passt.
  • Scheuen Sie sich nicht, sie entsprechend Ihrer Bedürfnisse zu variieren.
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User-Story-Mapping

Mit dieser Methode bringen Sie gemeinsam mit dem Team die einzelnen Artefakte des Workflows oder Prozessablaufs an die Wand. Sie verwenden dazu die Form einer Geschichte – die Story – in chronologischer Abfolge. Anwender und Verantwortliche aus den Fachbereichen können genau abstimmen, wo welcher Prozess wie einsetzt. Sie erarbeiten gemeinsam, wie die einzelnen Prozesse ineinandergreifen und wo Rand- und Folgeprozesse den von Ihnen analysierten Prozess beeinflussen. Dies kann bei der zukünftigen Digitalisierung von hoher Wichtigkeit sein, weil sich hinter diesen Verbindungen technische Schnittstellen verstecken können.

Customer-Journey-Mapping

Beim Customer-Journey-Mapping geht es darum, die Prozesse aus Kundensicht zu betrachten. Wie verläuft z. B. die Reise des Kunden von der Information zu einem Produkt über dessen Bestellung, Lieferung, Bezahlung und ggf. Reklamation. Dies genau zu betrachten, schafft ein einheitliches Verständnis und stärkt die Kundenzentrierung. Und Sie können auf Basis dieser Erkenntnisse nicht nur den Prozess erkennen und analysieren, sondern erfassen schnell die Optimierungspotenziale Ihrer Produkte und Services. Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung Digitalisierung.

Flowcharts bzw. Flussdiagramme

Der Klassiker der Prozessvisualisierung im Rahmen der Prozessanalyse ist das Flussdiagramm bzw. Flowchart. Dies ist einfach zu bedienen und eignet sich hervorragend, um die Ergebnisse der Side-by-Side-Prozessaufnahme bzw. der Mitarbeiterinterviews zu dokumentieren. Es kann gut im Rahmen von Workshops verwendet werden, um gemeinsam den Ablauf eines Prozesses zu visualisieren. Hier lassen sich auch unterschiedliche Informationsstände und Vorgehensweisen innerhalb eines Teams aufdecken.

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Low-Code- und No-Code-Ansätze

Low-Code- und No-Code-Ansätze zeichnen sich dadurch aus, dass Prozessvisualisierung und -digitalisierung eine Einheit bilden. Daher kann auf Entwicklerkompetenz und -ressourcen teilweise bzw. ganz verzichtet werden. Der Anwender kann seine Anforderung mit Hilfe dieser Tools direkt in einen digitalen Prozess übersetzen, der sofort anwendbar ist.

Zum Schluss

Am Markt finden Sie viele Tools, um Prozesse zu analysieren. Jedes hat Vor- und Nachteile. Lassen Sie sich vom Überangebot nicht verunsichern. Fangen Sie einfach an, über Ihre Prozesse zu sprechen. Damit haben Sie schon den ersten Schritt in die richtige Richtung getan.

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