Auf LinkedIn, Twitter, Xing und weiteren Netzwerken wird viel über Automatisierung und künstliche Intelligenz geschrieben und diskutiert. Dabei ist es gar nicht einfach, die dafür geeigneten Prozesse im Business-Alltag zu identifizieren.
Welche Prozesse lassen sich automatisieren?
Es ist prinzipiell möglich, jeden Prozess zu automatisieren – es kommt nur darauf an, welchen Einfluss die Automatisierung hat. So bietet es sich beispielsweise an, jährlich auftretende Prozesse für den Jahresabschluss zu automatisieren. Ein Vorteil, der sich jedoch nur einmal im Jahr bemerkbar macht. Effektiver ist es hingegen, wenn Prozesse mehrmals pro Woche oder sogar täglich ausgeführt werden. Hier bietet die Automatisierung einen wesentlich höheren Effizienzsteigerungsgrad. Eine gute Übersicht findet sich in der Wertschöpfungskette nach Porter (siehe Wikipedia). Diese zeigt die einzelnen Unternehmensbereiche, in welchen Prozesse ablaufen.

Abbildung: Wertschöpfungskette nach Porter
Zu erkennen sind die Unterschiede zwischen unterstützenden und primären Aktivitäten. Die unterstützenden Aktivitäten haben nur indirekt Einfluss auf die Wertschöpfung des jeweiligen Unternehmens. Bei den primären Aktivitäten ist eine direkte Wertschöpfung zu sehen.
Sparen oder Topline erhöhen?
Bei der Prozessautomatisierung ist die Automatisierung kein Selbstzweck, sondern bietet handfeste betriebswirtschaftliche Vorteile. Entweder werden durch ihren Einsatz Prozessdurchlaufkosten eingespart oder die Verkaufszahlen erhöht. Bei vielen sich wiederholenden Arbeiten stellt sich die Frage, ob dieser Prozess manuell durchzuführen ist. Gehen wir davon aus, dass bei jedem Prozessschritt menschliche Interaktion benötigt wird. Somit ist jeder Schritt abhängig von der jeweiligen Person, die ihn durchführt. Dies führt zu nachfolgenden Punkten:
Zeitkosten: Diese sind bei der Durchführung äquivalent zu Personalkosten und eingesetzten Material- beziehungsweise Servicekosten zu sehen. Wird ein Service für die Durchführung des Prozesses benötigt oder eine Zuführung an Ausgangsmaterialien, so verursacht das Kosten.
Qualität von Prozessen: Automatisierung sorgt für höhere und gleichbleibende Qualität bei geringeren Kosten.
Fehleranfällige Prozesse: Diese bedürfen einer hohen Anzahl an Korrekturen und sind entweder mit Zeitkosten oder Ausfallkosten gegenzurechnen.
Personengebundene Prozesse: Urlaube, Krankheits- und Vertretungstage eignen sich hervorragend, um die Vorteile der Automatisierung zu zeigen. Dabei ist der aus dem amerikanischen kommende Begriff des „Truck-Faktors“, häufig in unserem Sprachgebrauch auch als „Lotto-Faktor“ bezeichnet, zu beachten: Was wäre, wenn Person X mit Expertenwissen und Alleinzuständigkeit im Lotto gewinnt und morgen kündigt? Die Liste lässt sich nach Belieben fortführen und gilt nicht nur beim Lottogewinn, sondern für alle geplanten und ungeplanten Ausfallzeiten. Automatisierung spart nicht nur Arbeitszeit, sondern bietet zusätzliche Planungssicherheit.
Topline erhöhen – die Marge machts
Jedes Unternehmen produziert Waren oder bietet Dienstleistungen an (siehe Wirtschaftssektoren). Je mehr mit gleichbleibenden Produktionsmitteln produziert werden kann, desto höher fällt die Marge aus. Wenn automatisierte Prozesse geringere Kosten und geringere Folgekosten durch eine reduzierte Fehleranzahl aufweisen, entspricht dies ebenfalls einer verbesserten Marge.
Prozesse mit Automatisierungspotenzial
Doch wo sind Bereiche, die sich im eigenen Unternehmen oder Betrieb zur Automatisierung anbieten? Ein paar Beispiele:
Finanzen und Rechnungswesen
Mit Hilfe von Business Process Automation sind bis zu 42% der Aufgaben im Finanz- und Rechnungswesen (nach einer McKinsey-Studie) komplett automatisierbar. Wichtig ist dabei, dass es sich um eine vollständige Automatisierung handelt. Weitere 20% lassen sich nach der Studie mehrheitlich automatisieren. Nachfolgende Bereiche bieten dabei das größte Automatisierungspotenzial:
- Invoice Processing: Hier geht es darum, Daten aus gescannten Dokumenten zu sammeln und zu analysieren und einen Abgleich mit berechtigten Kreditoren durchzuführen.
- Zahlungsabgleich und -verarbeitung: Bankzahlungen, die aus verschiedenen Quellen eingehen, werden mit offenen Rechnungen abgeglichen. Diese werden dann im ERP-System verarbeitet und Überweisungsbelege generiert.
- Stammdatenpflege: Eine Neuanlage von Debitoren oder Kreditoren und deren Anpassung über ein zentrales BPA (Business Process Automation) System bieten ein weites Feld für Automatisierungsprozesse.
- Kontenabstimmungen: BPA kann den Download von Unterkontensalden automatisieren, Validierungen durchführen und Saldenjournaleinträge erstellen, um Diskrepanzen zu entdecken und zu lösen.
- 3-Wege-Matching: Der Abgleich von Rechnungen zu Bestellungen und Wareneingangsnotizen lässt sich mit BPA automatisieren. Dies gewährleistet eine genaue Zahlung und validiert verschiedene Teile der Lieferkette.
- Lieferanten-Onboarding: Online nach neuen Lieferanteninformationen (beispielsweise via DUNS-Nummer) suchen und diese nutzen, um neue Lieferanten zur ERP- oder Rechnungsanwendung hinzuzufügen.
- Automatisieren Sie Workflow und Genehmigungen: RPA (Robotic Process Automation) lässt sich für die regelbasierte automatische Genehmigung im Workflow-System konfigurieren. Alle Ausnahmen werden zur manuellen Genehmigung an die zuständige Person weitergeleitet.
- Finanzplanung und -analyse: Aktuelle Prognosen automatisch anhand von historischen und Marktdaten erstellen, so etwas geht sogar in Echtzeit.
Kundenservice
Die Kommunikationskanäle zwischen Kunden und Unternehmen sind vielfältig. Ein Teil davon sind die sogenannten Self-Services, die es Kunden erlauben, selbständig Services und Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus gibt es viele weitere Bereiche im Kundenservice, die sich zur Automatisierung anbieten:
- Kundenumfragen: automatisierter Versand von Kundenumfragen nach Interaktion
- Datenergänzung im CRM: haben sich Kundendaten aktualisiert, oder Präferenzen angepasst
- Ticketsysteme: Benachrichtigung und Vereinfachung von bearbeiteten Tickets; mobile Interaktion
Personalmanagement Use Cases
Mehr als 45 % der Personalprozesse lassen sich laut einer Studie von Deloitte automatisieren. Ein paar Beispiele:
- Onboarding von neuen Mitarbeitern: Verfahrensanweisungen, Einweisungen in Betriebsordnungen und den Datenschutz sowie weitere durchzuführende Onboarding-Maßnahmen lassen sich digitalisieren und automatisieren
- Offboarding von Mitarbeitern: Rückgabe und Sperrung von Lizenzen und Berechtigungen
- Selfservice für Mitarbeiter: E-Mails und Dokumente lassen sich automatisch erfassen beziehungsweise scannen und so in digitale Prozesse einbinden und überführen
- Urlaubsantrag: Beantragung, Validierungen und Freigabe von Urlauben
- Feedback: Analyse von Feedbackgesprächen und Handlungsempfehlungen
- Zeiterfassung: Prüfung von Arbeitszeiten, zum Beispiel um Urlaubszeiten, Überstunden und Fehlzeiten zu bearbeiten
Marketing
Mehr Zeit, mehr Umsatz, glücklichere Kunden und Mitarbeiter – so kann im Idealfall das Ergebnis von erfolgreicher Prozessautomation im Bereich Kommunikation und Marketing aussehen. Automatisierte Workflows erleichtern dabei nicht nur den Arbeitsalltag, sondern sparen auch Zeit und schaffen Freiräume für andere kreative Aufgaben. Dabei bieten sich einige Bereiche besonders für die Optimierung an:
- Newsletter: Zusammenstellung für passendes Kundensegment
- Marketing Goodies: Versand und Rückmeldung von Marketingmaterialien
- Geburtstagsgrüße: Versand eines personalisierten Videos
- CRM: Anlage und Update von Leads sowie automatisierte Information über LinkedIn- oder Xing-Leads
Weitere Ideen
- Automatisierte Ressourcen-Buchung von Großraumbüros
- Zeitlich gesteuerte Bereitstellung von Reports
- Benachrichtigung zu Aufgaben über MS Teams Kanal oder andere Collaboration-Lösung
Diese Überlegungen sind nur der erste Schritt auf dem Weg zur ganz persönlichen Automatisierungs- und Digitalisierungslösung. Die Beispiele zeigen, welches Potenzial schon in einfachen Standardprozessen steckt. Weitere Infos zum Thema bietet der Beitrag „Business Process Automation: Der Schlüssel, um Zeit zu gewinnen“.