Agile Zusammenarbeit funktioniert auch im Remote-Modus. Agile Teams im Home Office müssen sich allerdings anpassen und aktiv die Voraussetzungen für dezentrales Arbeiten schaffen. Denn durch die Arbeit im eigenen Zuhause entstehen Barrieren, die ihre Produktivität beeinträchtigen können.
Welche Herausforderungen ergeben sich für agile Teams im Home Office?
Die Arbeit im Home Office bringt viele Vorteile mit sich. Arbeitnehmer können ihre Zeit selbst einteilen, sparen sich den Weg ins Büro und sind oft effektiver, da sie sich besser konzentrieren können. Diese Flexibilität hat jedoch ihren Preis. Zum einen ergeben sich im Home Office Herausforderungen, die jeden Mitarbeiter persönlich betreffen. Zum anderen wirken sich mehrere Faktoren negativ auf die Zusammenarbeit agiler Teams aus.
Persönliche Herausforderungen
- Ablenkungen: Im Home Office gibt es etliche Störfaktoren, die von der Arbeit ablenken (der Paketbote, die Baustelle nebenan etc.).
- Motivationsprobleme: Prokrastination ist kein reines Schriftstellerproblem. Gerade im Remote-Modus tendieren viele Menschen dazu, Aufgaben vor sich herzuschieben.
- Trennung von Beruflichem und Privatem: Einigen Arbeitnehmern fällt es im Home Office schwer, Berufs- und Privatleben zu trennen. Das schadet ihrer Arbeitsleistung.
- Soziale Isolation: Durch die Heimarbeit geht viel zwischenmenschlicher Kontakt verloren. Daher fühlen sich manche Kollegen isoliert und einsam.
- IT-Infrastruktur: Eine schlechte Internetverbindung ist für agile Zusammenarbeit ebenso hinderlich wie mangelhafte Hardware (Headset, Mikrofon etc.). Für die Kommunikation im Team muss der gesamte Remote-Arbeitsplatz (inklusive Licht, Schreibtisch, Stuhl und passendem Raum) beruflichen Standards entsprechen.
Herausforderungen für die Arbeit im Team
- Zeitliche Koordination der Zusammenarbeit: Wenn jeder Kollege seinen Alltag selbst gestaltet, wird es schwierig, die gemeinsame Arbeit zu organisieren.
- Störende Einflüsse in Meetings: Wer lange genug im Home Office arbeitet, weiß wie oft Meetings durch schlechte Hardware, Hintergrundgeräusche und andere Faktoren gestört werden. Teams verlieren so den Fokus auf das Wesentliche und brauchen länger, um Ergebnisse zu produzieren.
- Ungewohnte Kommunikation: Virtuelle Meetings bieten weniger Möglichkeiten für Nachfragen. Die Zahl der Gespräche mit den Kollegen sinkt deutlich. Zudem entfallen viele informelle Gespräche, die für das soziale Miteinander im Team großen Wert haben.
- Zurückhaltung: Einige Menschen neigen dazu, sich in Online-Meetings zurückzuhalten. Diskussionen werden oft von wenigen Teilnehmern dominiert. Die anderen kommen kaum zu Wort. Dies wirkt sich negativ auf den Prozess der Entscheidungsfindung aus.
Bewährte Vorgehensweisen, die im Büro funktionieren, lassen sich nicht ohne Weiteres auf dezentrales agiles Arbeiten übertragen. Dafür braucht es spezielle Strukturen, Regeln und Tools.
Tools und Hilfsmittel für agile Zusammenarbeit
Die Herausforderungen, die sich durch Remote-Arbeit für agile Teams ergeben, betreffen deren Kultur, Organisation, Zusammenarbeit und Kommunikation. Hierfür gibt es Tools und Hilfsmittel, die in jedem der Bereiche Verbesserungen erzeugen.
Die Basis für agiles Arbeiten im Home Office sind kollaborative Boards, zum Beispiel virtuelle Scrum- oder Kanban-Boards. Software-Lösungen wie Trello erleichtern es, Aufgaben zu verteilen, Dateien weiterzugeben und den Status von Aufgaben zu überblicken.
Darüber hinaus gibt es interaktive Tools wie Miro oder One Note, die eine lebendige Kommunikation im Team erlauben. Mitarbeiter können beispielsweise innerhalb eines Bildschirms gemeinsam Maps erstellen, Gedanken visualisieren und Chat-Diskussionen führen. Hilfreich für die Organisation im Team ist darüber hinaus der Einsatz eines virtuellen Kalenders. Darin können die Teammitglieder jederzeit nachsehen, wann die anderen verfügbar sind. Empfehlenswert sind außerdem Wecker, die an Rituale und Events erinnern.
Für die Kommunikation im Plenum brauchen agile Teams Plattformen, die Raum für virtuelle Diskussionen und Rituale geben. Beliebte Tools sind beispielsweise Microsoft Teams, Skype und Zoom. Als Standard bieten sie Nutzern die Möglichkeit, Gruppengespräche online durchzuführen. Dazu enthalten die Tools hilfreiche Features, beispielsweise Chat-Fenster, Screen Sharing, Whiteboards und Datentransfers. Daher lohnt es sich in der Regel, sich näher mit der gewählten Software zu beschäftigen.
Die Auswirkungen, die Remote-Arbeit auf die Teamkultur ausübt, sind schwer zu mildern. Zwar besteht die Möglichkeit, die Atmosphäre mithilfe kleiner, spielerischer Tools zu verbessern. Ein Beispiel dafür ist das Stimmungsbarometer; ein Gimmick, bei dem jeder Kollege innerhalb eines Tools seinen Gemütszustand in Form eines Emojis offenbart. Ein Ersatz für fehlende soziale Interaktionen sind solche Spielereien aber nicht. Damit alle Teammitglieder weiterhin motiviert und eng zusammenarbeiten, braucht es zusätzlich neue Regeln und Strukturen.
Neue Methoden erhöhen die Produktivität agiler Teams
Viele Unternehmen nutzen die Zeit im Home Office und testen alternative Methoden für das Selbstmanagement sowie die Zusammenarbeit im Team. Dazu zählen der „Getting Things Done“-Ansatz von David Allen, die „Working-Out-Loud“-Methode von John Stepper oder das Flow-Prinzip von Dr. Gerhard Huhn, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Kreativität. Sie helfen Menschen dabei, sich effektiver zu organisieren, die eigene Motivation zu stärken und die Arbeit im Team zu verbessern.
Home Office erfordert Organisation
Arbeiten Menschen längere Zeit von daheim aus, verändern sich ihr Rhythmus und ihre Gewohnheiten. Das kann die Arbeit im agilen Team extrem beeinträchtigen, etwa wenn Kollegen bei dringenden Fragen nicht erreichbar sind oder Meetings ausfallen lassen. Ähnliche Probleme begegnen uns in Projekten häufig. Um sie zu lösen, müssen Teams der virtuellen Zusammenarbeit eine klare Struktur verleihen.
Agile Methoden funktionieren im Home Office nur, wenn Teams die Meetings und Rituale weiter konsequent durchführen. Dafür braucht es im Remote-Modus feste Zeiten (Beginn und Länge des Meetings etc.), die für alle Mitglieder verbindlich sind. Dazu sollte jeder Kollege transparent kommunizieren, zu welchen Zeiten er erreichbar ist (zum Beispiel morgens im Daily Sprint). Verzögerungen, die sich durch unterschiedliche Arbeitszeiten ergeben, lassen sich somit vermeiden.
Eine Struktur müssen Sie auch der Kommunikation im Team verleihen. Das betrifft zum Beispiel die Diskussionen im Plenum. Um zu verhindern, dass einzelne Personen zu kurz kommen und sich gedanklich ausklinken, ergibt es Sinn, komplexe Aufgaben zunächst in Zweier-, später dann in Vierergruppen zu besprechen. Mit dieser Herangehensweise, die einer „Wisdom of Crowds“-Logik folgt, binden Sie Teammitglieder aktiv ein und erhöhen den Zusammenhalt unter den Kollegen.
Plug-in für die Gruppenarbeit in Microsoft Teams
Die Arbeit in Kleingruppen führt nach unserer Erfahrung zu besseren Ergebnissen. Leider ist es nicht in jedem Tool möglich, solche Gruppen spontan innerhalb eines Meetings zu bilden. Deshalb arbeiten wir an einem Plug-in, mit dem Nutzer von Microsoft Teams Mitarbeiter flexibel in Gruppen einteilen können. Wenn Sie möchten, können Sie die App 1-2-4 Teams unverbindlich ausprobieren.
Die Ergebnisse der Kleingruppen werden später im Plenum besprochen. Auch hier empfiehlt es sich, der Kommunikation Struktur zu geben. Statt „One-to-all“-Präsentationen oder Brainstormings, in denen Gespräche ständig abschweifen, sollte der Fokus des Teams immer auf der aktuellen Agenda liegen. Hierzu tragen klare Regeln und visuelle Darstellungen bei (z. B. auf einem interaktiven Whiteboard). Sie verhindern, dass kostbare Meeting-Zeit vergeudet wird.
Zur Steigerung der persönlichen Produktivität bieten sich Ansätze wie das Getting-Things-Done-Konzept des US-amerikanischen Beraters David Allen an. Dabei handelt es sich um ein Zeitmanagement-System, mit dem Menschen ihre persönlichen Aufgaben (zum Beispiel ihren Schriftverkehr oder Telefonate) in kontextbezogenen Arbeitspaketen zusammenfassen und an festen Terminen am Stück bearbeiten. Dies führt in der Regel zu schnelleren, besseren Ergebnissen.
Darüber hinaus sollten agile Teams möglichst viele Gelegenheiten erhalten, abseits des Tagesgeschäfts zu interagieren. Wir bei IT-P setzen beispielsweise auf virtuelle Kaffee-Stunden und Feierabend-Sessions, in denen sich Kollegen in einem Chatroom privat austauschen. Das hilft, den Zusammenhalt zu bewahren. Positive Erfahrungen haben wir auch mit virtuellen Spieletreffs oder thematischen Diskussionen gemacht. Auch sie tragen dazu bei, die Kultur des Teams gezielt zu fördern.
Klare Regeln erhöhen die Leistung des Teams
Agilität im Home Office ist eine Frage der Disziplin. Eindeutige Regeln, die von allen verstanden und verinnerlicht werden, erzeugen verbindliche Vorgaben, an denen sich jeder orientieren kann. Auch hier muss das Team selbst entscheiden, welche „Gelübde“ es sich auferlegt. Typisch sind Regeln wie
- „Niemand pausiert im Online-Meeting, ohne den anderen Bescheid zu geben“,
- „Die Kamera bleibt in Meetings jederzeit eingeschaltet“ oder
- „Wir konzentrieren uns in Diskussionen auf das Wesentliche – Privates besprechen wir nur in geeignetem Rahmen“.
Auf den ersten Blick wirken solche Regeln manchmal banal. Das sind sie aber nicht. Nehmen wir das zweite Beispiel: Viele Menschen fühlen sich wohler, wenn ihre Kamera in Gesprächen ausgeschaltet ist. Für die Kommunikation kann dies aber hinderlich sein. Gestik und Mimik, die uns im Alltag bei der Interpretation von Gesprochenem helfen und ein Gefühl der Verbundenheit erzeugen, sind auf diese Weise für niemanden erkenntlich. Im schlimmsten Fall entstehen dadurch Missverständnisse, die dem Team schaden.
Remote-Arbeit verändert das Rollenverständnis
Die Arbeit im Home Office beeinflusst die Tätigkeit von Product-Owner und Scrum-Master. Der Product-Owner muss die Kommunikation mit Kunden und Stakeholdern auch im Remote-Modus effektiv gestalten. Hierzu tragen regelmäßige Online-Meetings (z. B. Status-Updates, Präsentationen und Webinare) bei, aber auch lockerere Gespräche (z. B. ein kurzer Anruf gegen Feierabend), die etwas Abwechslung zum Alltag bieten. Dazu sollte der Product-Owner mehr Zeit investieren, zwischen Team und Kunde zu vermitteln. Ratsam ist beispielsweise, Vorgaben nicht nur in den regulären Meetings, sondern möglichst oft auch in Einzelgesprächen anzureißen.
Auch der Scrum-Master sollte seine Kommunikation im Remote-Modus intensivieren. Seine Aufgabe ist, das Team bei der Umsetzung des agilen Frameworks aus der Ferne zu unterstützen, Stimmungen im Team wahrzunehmen und darauf aktiv einzugehen. Das erfordert Erfahrung, Feingefühl und möglichst viele persönliche Gespräche. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das Team in alte Verhaltensmuster rutscht.
Fazit
Agile Teams stoßen im Home Office auf Schwierigkeiten, die ihre Produktivität beeinträchtigen können. Dazu gehören Einflüsse, die sich auf die persönliche Arbeit auswirken, und Faktoren, die die Arbeit in der Gruppe betreffen. Agile Teams brauchen daher
- moderne Software- und Hardware-Systeme, die gemeinsame Kommunikation und Interaktion ermöglichen,
- klare Strukturen, die der dezentralen agilen Arbeit einen stabilen Rahmen geben,
- verbindliche Regeln, an denen sich jedes Mitglied orientieren kann, und
- ein möglichst hohes Maß an Kommunikation – auch abseits des regulären Tagesgeschäfts.
Mit dem richtigen Setting ist es möglich, dass Ihr Team seine Produktivität im Home Office nicht nur beibehält, sondern sogar steigert. Wir selbst erleben derzeit in Kundenprojekten, wie die verbesserte Work-Life-Balance zu Motivationsschüben führt, die der Arbeit im Team sehr zuträglich ist. Mit der richtigen Einstellung kann die aktuelle Situation also durchaus eine Chance sein!