Citizen Developer gegen IT-Fachkräftemangel

Laut EU-Digitalindex bremst der IT-Fachkräftemangel nachhaltig die Digitalisierung, und das nicht nur in Deutschland. 55 Prozent der Unternehmen können freie IT-Positionen aktuell nicht besetzen. Einen Ausweg aus diesem Dilemma könnten die „Citizen Developer“ bieten. Diese nehmen bei der digitalen Transformation von Unternehmen eine wichtige Rolle ein.

Ein Citizen Developer ist ein Anwender oder ein Mitarbeiter einer Fachabteilung, der für sich oder seinen Bereich Software entwickelt, obwohl er in einer völlig anderen Rolle im Unternehmen tätig ist. Citizen Developer rekrutieren sich in der Regel aus den unterschiedlichsten Fachbereichen. Idealerweise verfügen die zukünftigen Entwickler über technische Fachkenntnisse und ein Verständnis der zu lösenden Problemstellung. Spezielle No-Code- oder Low-Code-Entwicklungsplattformen machen aus diesen technischen Experten dann nach einer kurzen Schulung vollwertige Softwareentwickler.

Informatik_Bildung

Ohne Quellcode: Die No-Code-Plattform Scratch ist im Ausbildungsbereich weit verbreitet.

Die Programmierung läuft in der Regel nach dem Funktionsbaustein-Prinzip ab. Dieses ähnelt dem, was beispielsweise auch bei der in Schulen und Universitäten verwendeten Programmierumgebung Scratch Anwendung findet. Einzelne Elemente werden dabei über eine grafische Benutzeroberfläche zusammengestellt, wobei sich nur syntaktisch und funktionell „passende“ Funktionsbausteine verknüpfen lassen. Quellcode im herkömmlichen Sinne existiert nicht und nach der Schulung auf die Plattform der Wahl können die Citizen Developer mit der Softwareentwicklung beginnen. Der Vorteil liegt dabei nicht nur in dem geringen Schulungsaufwand, sondern auch in dem spezifischen Wissen der jeweiligen Fachbereiche.

Als Endnutzer kennen die Angestellten die Anforderungen an die gewünschten Applikationen bestens und sind damit prädestiniert für die Entwicklung spezifischer Individualsoftware für das Unternehmen. Dadurch, dass die Entwicklungsplattform in der Regel durch die IT-Abteilung den Fachbereichen zur Verfügung gestellt wird, lässt sich die Entwicklung zentral überwachen und sicherheitstechnisch regulieren.

Low-Code und No-Code

Im Zusammenhang mit Citizen Developern taucht auch der Begriff No-Code- und Low-Code-Plattform auf. Der Übergang zwischen No-Code- und Low-Code-Entwicklungssystemen ist fließend und beschreibt in der Regel die Mächtigkeit der entsprechenden Umgebung.

No-Code-Plattformen stützen sich meist auf ein voreingestelltes User Interface, welches das Design einer Anwendung vereinfacht und optimiert. Low-Code-Plattformen bieten unter Umständen eine größere Flexibilität bei den UI-Optionen, welche durch das Hinzufügen von handgeschriebenem Code möglich ist. Daher sind No-Code-Plattformen häufig für jeden Endbenutzer zugänglich. Low-Code-Plattformen hingegen sind oft Entwicklern mit Kenntnissen von Programmiersprachen vorbehalten.

Plattformen und Unterschiede

Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Plattformen, die sich nicht nur in der Form, sondern auch in der Zielsetzung unterscheiden. Die Liste der vorgestellten Beispiele ist nicht komplett, zeigt aber gut, welche Dynamik und Entwicklungskraft hinter diesem neuen Trend steckt.

Allisa

Die Allisa Software ist eine modulare Digitalisierungsplattform und Cloud-Lösung für Prozesse in Industrie 4.0 und IIoT (Industrial Internet of Things). Mit Allisa lassen sich komplexe Prozesse inklusive Regelwerke und Business Rules in direkt ausführbare Software überführen. IT-P hat inzwischen positive Erfahrungen mit Allisa gesammelt und verfügt inzwischen auch über Consultants mit Allisa-Zertifizierung.

Camunda BMP

Camunda BPM ist ein in Java geschriebenes freies Workflow Management System, mit dem sich Geschäftsprozesse in BPMN 2.0 definieren und ausführen lassen. Die Stärke des Systems liegt in der Prozessautomatisierung und Optimierung von Prozessen. Neben der Enterprise Edition bietet Camunda auch eine kostenfreie Community Version unter der Apache Lizenz an.

UIPath

Das in Rumänien gegründete US-Softwareunternehmen UiPath bietet eine Plattform zur Robotic Process Automation für Geschäftskunden. Dabei werden Prozesse durch sogenannte Softwareroboter erlernt und automatisiert ausgeführt. Dank der KI-gestützten Planung und Ausführung durch UiPath arbeiten die Software Robots immer an der Aufgabe mit der höchsten Priorität. Neben der regulären Programm-Version bietet das Unternehmen auch eine kostenlose Community-Version für einzelne Entwickler, kleine Profi-Teams sowie den Bildungsbereich und für Schulungszwecke an.

AppGyver

AppGyver selbst bezeichnet sich als die weltweit erste professionelle Plattform für die App-Entwicklung ohne Code. Das Angebot verfolgt damit den Ansatz No-Code in Abgrenzung zu Low-Code. Mit AppGyver erhalten Geschäftsanwender eine systemübergreifende Entwicklungsplattform zur App-Entwicklung. AppGyver richtet sich an Nutzer ohne Programmierkenntnisse, die mobile Anwendungen und Web Apps im Baukastenprinzip erstellen möchten. Seit Anfang 2021 ist der finnische Anbieter Teil von SAP. Gab es anfangs eine Umsatzbeschränkung für die freie Community Version, ist die inzwischen als Composer Pro bezeichnete Plattform seit Oktober 2021 ohne Einschränkungen kostenlos verfügbar.

Ausblick

Den Citizen Developern wird eine wachsende Bedeutung vorausgesagt. Gartner prognostiziert, dass sich bis 2023 die Zahl der Citizen Developer vervierfachen wird im Vergleich zu der Anzahl professioneller Entwicklerinnen und Entwickler. Die steigende Anzahl von No Code- und Low Code-Lösungen wird dazu beitragen, die Innovation und Produktivität der gesamten IT in Unternehmen zu steigern und gleichzeitig einen Ausweg aus dem IT-Fachkräftemangel bieten.

Links zu den Plattformen und Anbietern:

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